Saturday 24 November 2012

Ölbad

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Hat jemand schon mal ein Ölbad genossen? Ich wusste nicht, was mich da als Teil der Ayurveda-Behandlung  erwartet.  Ayurveda klingt  gut, das wollte ich immer schon mal ausprobieren, und jetzt habe ich Zeit dazu und erschwinglich ist es auch. Der Ayurveda-Arzt hat mir auch gleich meine diversen Zipperlein genannt! Dem kann man nichts vormachen. Er stammt aus Orissa, und seine Ausbildung hat er in Kerala gemacht. Daher stammt auch das Mobiliar. Das Programm besteht mehrheitlich aus Massagen, ganz toll ist das Sirodhara: warmes Öl fliesst über die Stirne. Soll gegen Kopfschmerzen und Nebenhöhlenprobleme helfen. 
Dampfbad
Zum Programm gehören auch Einläufe (wer steht schon auf sowas, soll aber gesund sein) und Vomiting (gut für den Magen, ich blieb zum Glück verschont). Nun also das Ölbad – zwei Frauen massieren mich und begiessen mich immer wieder mit warmem Öl. Das ist ein absolutes Wohlgefühl, etwa wie Samt und Seide, nur flüssig. So müssen sich indische Prinzessinnen gefühlt haben, wenn sie gesalbt und eingeölt wurden. Rashkumari und die Frau des Arztes massieren mich gleichzeitig, eine vierhändige Massage sozusagen. Ich spüre, wie der eine Arm und das eine Bein dünner werden, denn Rashku greift etwas kräftiger zu. Lustig wird es, wenn sie synchron massieren, dann rutsche ich auf der Liege hin und her, das flutscht nur so.
 Von Zeit zu Zeit schieben sie mich wieder nach oben, das geht ganz leicht. Drehen wird ein echter Balanceakt, aber ich schaffe es, ohne von der Liege zu schliddern.So müssen sich Auberginen fühlen, bevor das Öl zu heiss wird. Na, das ist zu prosaisch - wie wenn man sanft im Wasser herumgeschwenkt wird, passt besser. Einzigartig.  Jetzt fällt mir auch ein, woran mich das Ölbad auch erinnert – neben den vor-, früh- und spätkindlichen Sehnsüchten nach „being pampered“:  an ein Schlammfest! Die Lust, sich in Schlamm zu suhlen wird hier verfeinert - im Öl ist es sanft, warm und man fühlt sich so richtig schweinisch wohl, so babymässig und total verwöhnt. Die Massage ist zwar kräftig und lässt keinen trigger point aus, entspannt jedoch komplett. Vor allem die Computerschultern suhlen sich glücklich im Öl. Ja, suhlen ist das richtige Wort!
Nach einer Stunde wandle ich mit einer Haut wie Samt nach Hause, noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen, ein Teil verweilt immer noch im indischen Palast. Die Fusskettchen klingeln leise, und die Palastköchin Pushpa hat bereits das Festessen bereitet. Dal mit viel Koriander, Gemüsepakora, fritierte Auberginen, ein Gemüsecurry und dazu frische Chapati – besser isst man nirgends. Sie macht auch den besten Dahi (Joghurt), und Chhach, gesalzene Buttermilch mit Cumin. Ein Traum, bin schon fast süchtig danach. Nun, jetzt fehlt mir zur Prinzessin nur noch der Sari ... 
 zwar keine Saris, aber auch schön

Monday 19 November 2012

Diwali

Ich bin im Rückstand - Diwali ist bald eine Woche her, und schon beginnt das nächste Fest! Wir haben es richtig streng hier, kulturell-religiös gesehen. Also jetzt erstmal zu Diwali: Das Lichterfest ist das wichtigste Hindufest. Es geht um den Sieg des Lichtes über das Dunkle, des Guten über das Böse, wie schon bei der Durghessa. Gefeiert wird mit vielen Kerzen, elektrischen und Öllämpchen, traditionellen Texten, Ritualen und endlosem Feuerwerk.
Der Ursprung liegt bei der Rückkehr Ramas aus dem 14jährigen Exil i Dschungel. Er kam mit seiner Frau Sita und seinem Bruder Lakshmana in einer Neumondnacht zurück, die Leute wiesen ihm den Weg mit Öllampen. Deshalb wird Diwali immer bei Neumond gefeiert. Übrigens: die Versuchung ist gross, hier alle Informationen und Weisheiten  zu einem Thema zu zitieren. Wenn ich jeweils lese, was mir Klaus Stuckert an interessanten Informationen zu meinen Themen schickt, werde ich ganz blass und finde meine Erzählplaudereien schon SEHR banal. Naja, wer mehr wissen will, kann dies selber herausfinden: http://de.wikipedia.org/wiki/Diwali (die haben dasselbe Öllämpchen wie wir!).

Montagabend Einkaufstour: 50 Öllämpchen, Statuen von Ganesh, Laxmi und Hanuman (weil wir den so mögen), Süssigkeiten, noch zwei Kerzenhalter ...
Alle Leute sind total aufgeregt, die Kinder überdreht - Betrieb wie am 23. Dezember auf der Bahnhofstrasse in Zürich, nur viel wärmer!
Wildfremde Menschen, Kinder, Jugendliche und alte Leute wünschen uns "Happy Diwali"!


Die Juwelierläden haben Hochbetrieb, da es Brauch ist, zu Diwali etwas aus Gold zu schenken. Schon den ganzen Tag knallen Kracher, und die Kinder sind total aus dem Häuschen wegen der Frauenfürze. Überall wird geputzt wie verrückt, alle Misthaufen sind verschwunden, sogar der Dreckhaufen in unserer Gasse, der das Bettler-WC ist. bzw. war. Und die Kühe wundern sich, wo ihre "Weiden" hingekommen sind. Ein völlig ungewohnter Anblick!
Puffreis


Wer es sich leisten kann, streicht das Haus neu, innen und / oder aussen. Alles ist so herausgeputzt, dass man das übliche staubigschmutzige Varnanasi fast nicht mehr erkennt. Der Hanuman-Schrein bekommt natürlich auch ein neues Kleid und sogar einen kleinen Baldachin. Leider fällt jetzt das Licht nicht mehr so schön auf die Kleider von Hanuman. 


Dienstagmorgen bringt Umesh dann die Mala - Tageteskränze und Girlanden. Die Tagetesbauern müssen Hochsaison haben. Gegen Abend beginnen wir mit Umeshs Familie das Haus zu dekorieren - der Hausschrein von Alice Boner besitzt wunderbare Krishan- und Drugafiguren, denen wir Hanumna, Ganesh und Laxmi beigesellen.


Nun lernen wir das Ritual kennen - wann wem eine Mala umgehängt wird, wann und wie und wie oft die Räucherstäbchen zu bewegen sind (immer rechts herum, fünf  Mal), wann man sich verneigt usw. Zu der Glocke kommt der Klang der Cinellen, die man - welche Ehre - mir übergeben hat. Ich muss noch etwas üben. Das ganze ist sehr feierlich, aber nicht steif. Tief empfunden, voll Verehrung für Krishna, aber ohne Getue. Das beeindruckt.
 Dann verteilen wir die Öllämpchen im ganzen Haus, schön nach Osten ausgerichtet.

Aripta

Uttkarsh















Und dann - endlich - können die Kinder auf der Dachterrasse das Feuerwerk in die Luft knallen!! Der grosse Renner waren  - Wunderkerzen! Und zwar bei den kleinen wie den grossen!



Es knallte die ganze Nacht durch weiter. Wichtig war der Lärm, nicht so sehr das Bouquet der Raketen (das ist sowieso nur etwas für die Reichen). Auch hier gibt es die Aufrufe, man soll Diwali ruhig feiern, um die Tiere zu schonen. Die meisten werden abends nicht in Ställe gebracht, sondern draussen vor dem Haus angebunden, und das erst noch sehr knapp - Gassenkühe. Ungemütlich. Wie toll Kühe sind, kann man bei Martin Ott nachlesen: Kühe verstehen, Fona-Verlag. Immerhin - diese Büffelkuh hat für Diwali rote Hörner bekommen.


Nach dem indischen Znacht - mit frischen Puri barata (keine Ahnung, wie man das schreibt) und Aloo mit Baigan war das Fest vorbei - die Kinder müde und übermütig, wir halb taub von den Kanonenkrachern. Also ein wenig wie Weihnachten und Neujahr zusammen, jeodch ohne den Geschenkestress - man fällt betäubt vom Essen, Lärm, der Aufregung ins Bett und schläft trotz der Knallerei selig ein.



Tuesday 13 November 2012

Aarti

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Aarti ist eine Lichtzeremonie, die jeden Abend um 7 an der Ganga und auch in den vielen Tempeln zelebriert wird. Ein oder mehrere Priester, je nach Ghat oder Tempel, schwingen Kobra-Lampen mit 7 Öllampen, dazu werden die schweren Gongs geschlagen, und manchmal singt ein Sänger dazu. Sehr feierlich und ein wenig hypnotisch, vor allem ausgezeichnet choreographiert. Der Priester dankt dem Gott oder der Göttin für das Licht, das den ganzen Tag  über für uns da war und gibt mit der Zeremonie etwas davon zurück.
Es ist auch eine Huldigung an die Ganga, und am Ende wird man mit gesegnetem Gangawasser besprüht oder bekommt es in die Hand und benetzt damit das Haar, oder man trinkt es. Am Ende des Rituals setzt man die Tonkerzen mit den Malas (Tagetes) in ihren Blätterkörbchen (echt umeltschonend!) auf der Ganga aus,  und langsam treiben sie weg, das sieht wunderbar aus. 
 Das ist Lloyd, er verkauft mir jeweils die Kerzen und  zündet sie mir sogar an. Er hat mich schon am 2. Tag wiedererkannt, und er sagt mir auch warum - your hair is so interesting!
Am Dasawamedh Ghat wird Aarti viel grösser, eindrücklicher, pompöser gefeiert – 5 Priester sind am Werk, hunderte von Gläubigen und Fremden schauen zu. 



Auch mit dem iPad kann man Fotos machen:


Am Aarti im Assi Ghat, die ein wenig wie eine Quartier-Aarti wirkt, gibt es nur einen Priester und zwei Gongschläger. Der Junge, der einem am Ende einen Punkt auf die Stirne drückt, muss lachen, als ich auch anstehe, er gibt ihn mir dann doch.


Sehr berührend ist eine Aarti-Zeremonie nahe unserem Haus - ein Priester, zwei Gongschläger, ein "Glöckner" und etwa 20 Gläubige. 
Der junge Priester vollzieht die zeremoniellen Bewegungen sehr elegant, ganz versunken in seine Welt, ebenso seine Helfer und die Gläubigen. Sie lassen sich auch nicht von der unpassenden Msuik beirren, die aus den Lautsprechern plärrt. Es geht zu Herzen, diese stille Verehrung, diese Selbstverständlichkeit. So macht mir Religion wieder Sinn. Ich stehe etwas abseits, aber einer aus der Gruppe holt mich dazu, damit ich auch von dem geweihten Wasser und Puffreis bekomme.

Die eindrücklichste Aarti-Zeremonie erleben wir im Sankat Mochan Hanuman-Tempel. Alles ist rot von der Zinnoberpaste – die  Säulen und viele Wände, auch Gitter sind dick mit dieser Paste bestrichen. Die Leute schreiben ihre Namen hier drauf, und mit der Zeit verschwinden sie dann im Zinnober-Meer der andern Namen. Wir bekommen auch einen leuchtend roten Punkt auf die Stirne und einige Tulsiblätter (Basilikum), und dann beginnt die Aarti vor dem Rama-Tempel. Ich muss mit den Frauen rechts stehen, die Männer links. Die Gongs werden von zwei Jungs geschlagen, das dröhnt vielleicht! Ein älterer Mann koordiniert das Tempo, abgestimmt auf den Priester. Man gerät total in Trance, vor allem auch, weil wir nur von Gläubigen umgeben sind. Plötzlich wird die Menge mit heiligem Wasser bespritzt, ich kriege auch etwas davon ab. Nun öffnet sich der Korridor der Zuschauer, die Gongschläge steigern sich, ein tiefer Gong kommt dazu und nun wird die Zeremonie mit derjenigen vor dem Hanuman-Tempel koordiniert – bis die beiden Götter sich sehen können. Wir sind alle in Trance - und plötzlich ist es vorbei. In der Stille dröhnen die Gongs nach, ich muss mich zuerst  auf die Erde zurückfinden. Ganz benommen suchen wir den Weg aus dem Tempel – konfrontiert mit den Soldaten, die versuchen den Tempel zu beschützen, und das seit dem Bombenattentat von 2006, bei dem etwa 30 Leute starben. Deshalb keine Fotos von diesem Tempel! Draussen tollen die Affen herum, einer hangelt sich an den Stromleitungen zu einem Haus, und wenn einer auf das Dach der Verkaufsstände springt, gibt das einen ordentlichen Krach! Wir sehen junge Männer, die mit langen Bambusstecken versuchen, die Affen zu vertreiben. Ganz schwierig! Im Alice Boner Haus ist alles vergittert, und man muss auch die Türe zur Terrasse immer wieder schliessen, damit die Affen nicht reinkommen. Alice Boner sass offenbar immer mit einem Stecken bewehrt auf der Terrasse, und wer sie besuchen kam, kriegte als erstes ebenfalls einen Stecken, um die Affen abzuwehren. Die herzigen, süssen Äffchen sind ganz schön angriffige Biester. Nur der Affe, den einer der Bettler an seine Hand gekettet hat, sitzt friedlich da und kaut im gleichen Takt wie sein Herr. Sie gleichen sich sehr.

Monday 12 November 2012

Die Ghats

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Am Nachmittag fahren wir mit Dinanath den Gaths entlang. Er ist Maler, Schriftsteller und Kunstgeschichtsprofessor und erzählt uns all die Geschichten von den Königen, Volksgruppen oder einfach reichen Leuten, die ihre eigenen Gaths gebaut haben, um Zugang zur Ganga zu haben und baden können. 
Zwischen sehr alten, wunderschönen Palästen stehen auch moderne, gesichtslose Glas- und Betonbauten. Im Moment bauen offenbar Japaner im Süden ein neues Gath.

Unter den grossen Schirmen sitzen am Tag die Sadhus und philosophieren, man kann sich hier Rat holen.
 

 
 Die Leute spazieren auf den Stufen unter den Häusern durch, Guides, Bootsführer und Händler lauern auf Touristen, einige Hotels werben mit Dachterrassen. Das Wasser ist jetzt tief, im Monsun steigt es einige Meter über den jetzigen Wasserspiegel, dann kann man hier nicht mehr durchspazieren. Ich möchte mal die Strassen im Monsun sehen! Dinanath meint nur, naja, dann muss man halt die Füsse gut waschen. Das müssen wir auch jetzt jeden Abend!




Am Abend fahren viele Leute mit Booten den Gaths entlang, nirgends sonst hat man einen so schönen Blick.



Wir steigen am Rajendra Prasad Ghat aus und gehen durch den Bazaar – was für ein Gedränge! Und was für ein Fest für die Augen – Farben Farben Farben. Die Sarihändler warten im Schneidersitz auf Kundinnen, umgeben von den fantastischen Stoffen. Gar nicht auszudenken, wenn ich Platz hätte für diese fantastischen Stoffe ... Dann kommen die Gewürzhändler, die Schmuckhändler – immer gibt es Kissen oder Polster, auf denen die Kundschaft Platz nehmen kann (kein Problem dank Yoga), und dann lässt man sich die Schätze vorführen.   

 






















Vom Scindia Gath  steigen wir hoch zum Sankrata Devi Tempel. Diese Göttin hilft, wenn es Hindernisse zu überwinden gibt. Das ist immer gut.

Für unsere Spende behängt uns der Priester mit Blumengirlanden, die er von der Sankrata Devi löst, und ich bekomme als Gabe eine halbe Kokosnuss mit einer Lotosblüte drin. 
Immer wieder kommen Gläubige, beten oder singen,  gehen zum Priester, umrunden den heiligen Baum und gehen wieder.  Auch Geschäftsleute kommen, beten kurz und sind schon wieder weg. Kinder spielen Fussball,  und eine Frau singt unermüdlich dasselbe Mantra. 
 

Dann besuchen wir den Sadhu Prem Sagar (ocean of love) – eine eindrückliche Figur. Er spricht ein wenig Deutsch: „Wie heissen Sie?“ Er ist ein Heiler, und - wie er betont - auch ein Fernheiler. Einem Paar in England habe er geholfen, Kinder zu kriegen. Nun, das ist definitiv zu spät für mich;) Hier erklärt er das Kastensystem: http://www.youtube.com/watch?v=aaw1nukNClg

Wir bekommen einen Tee, und der Sadhu erzählt einige Geschichten, währenddessen die Mäuse herumrennen. Er ist ganz begeistert von Alex’ Portraitfoto, und so kriegt er zum Abschied eine Umarmung, ich einen Händedruck.

Vom Boot aus sieht man die verschiedenen Ghats am besten, und im Dunkeln  wirken die Paläste märchenhaft. 


 Am Manikarnika Ghat brennen immer noch viele Feuer, es sind heute offenbar viele Tote verbrannt worden.  Es werden nur die verheirateten Letue verbrannt, die andern (und auch die Armen) werden mit Steinen beschwert in der Ganga versenkt. Wer hier kremiert wird, steigt direkt in den "Himmel" auf und verlässt den Kreis der Reinkarnation. 

Vishnu habe hier eine heilige Quelle gegraben, und Shiva (oder Parvati?) habe beim Baden an diesem Ort einen Ohrring verloren, deshalb heisst es Manikarnika - Mani steht für Perle, und Karnika für Ohr. 

Die Bambuskörbe mit den Kerzen, die an hohen Bambusstangen hängen, sollen den verstorbenen Ehemännern den Weg in den Himmel weisen, deshalb hängen die Witwen sie auf. Die Körbe.

Saturday 10 November 2012

Im Alice Boner-Haus



Nachts ist es ganz still. Einmal höre ich eine Kuh durch die Gasse unten galoppieren.  Um fünf Uhr morgens beginnt  im nahen Tempel das Läuten oder eher Dröhnen der Gongs, und bald auch das Kirtan-Singen und Beten. Das hält den ganzen Tag an, abends mit Trommeln und Klingelglöckchen ergänzt und manchmal über Mikrofon übertragen. Die Spatzen in der blühenden Kletterpflanze beim Studio schwatzen den ganzen Tag. 
Ich vermisse das „Zirpen“ der Black Kites von Delhi. Dann klingt das Muschelhorn von einem der Tempel herüber – Zeichen für Anfang und Ende der Zeremonie. Viele Leute gehen jetzt unter dem Haus durch, die einen kommen vom Tempel oder vom Bad in der Ganga, die andern sind auf dem Weg dahin,  die Pilger tragen Gangawasser in glänzenden Messingkrügen nach Hause. Einige Frauen geben den Bettlern rohen Reis, wenige geben manchmal Münzen. 
 Der Verkehr beginnt erst später, mit seinem permanenten Hupen und Fahrradgeklingel, mit dem Rufen und Lachen. Wie das klingt: http://indiecam.blogspot.com

 Aber der Flötenspieler ist schon da, zuerst spielt er seine Tonleitern, dann improvisiert er ein wenig, und wenn dann Westler in Sicht sind, spielt er pseudoklassische Rieu-Musik.
Im Haus ist bereits der Gärtner am Werk und wässert die vielen Pflanzen – überall grünt es, in, um und auf dem Haus. 
Buschhpa bekocht uns jeden Tag mit frischem Gemüse – zwei zu Mittag, zwei zu Abend, und jedesmal schmeckt es anders. Sie ist ganz glücklich, dass wir mirchi (Chili) mögen, aber der Ayurveda-Arzt hat etwas gegen scharfe Speisen. Also wieder zurück zu einem mirchi! Umesh bringt uns überall hin, wo immer wir auch hinwollen, und er bringt uns Hindi bei. Gar nicht einfach! Es tut gut, wieder mal eine Sprache zu lernen – ohne üben geht gar nichts. Maekessehae? Metiicum. Dandewan – soagatam.


Wir werden total verwöhnt, müssen uns aber erst mal an das Bedientwerden gewöhnen. Als der Direktor Dinanath Pathy kommt , wird uns das so richtig klar – Santoos, der putzt und wäscht und bügelt,  grüsst ihn nicht nur mit Verbeugung und zusammengelegten Händen, sondern beugt sich auch, um die Füsse des Direktors zu berühren. 


Es herrscht eine klare Hierarchie – wer wem was befehlen darf, und das geht immer im Befehlston, kurz und eher barsch, zumindest für unser Empfinden. Das ist auch in den Läden so – wer kaufen will, befiehlt: Zeig mir das, zeig mir dies, hast du das in schwarz, grösser, kleiner –immer im Befehlston. Und dann geht man in den nächsten Laden.
Die Türen im Haus sind sehr niedrig und schmal. Dinanath sagt, das sei wie an der Universität, die absichtlich niedere Türe haben: gut für die Bescheidenheit, denn man muss jedesmal demütig den Kopf beugen. Einmal den Kopf anhauen sei toleriert, aber nicht zweimal! Wenn wir an die Haustüre klopfen, schwingt sie auf, wie von Geisterhand geöffnet. Dies dank einem ausgeklügelten Schnursystem, mit dem man von jedem Stock aus die Türe öffnen kann. Die Treppenstufen sind sehr hoch und schmal, schnell mal runterrennen geht nicht, wie man in den Fotos von Alex sieht. Ich trage übrigens die neuen Kleider, die wir machen liessen. (Man beachte die topmodischen Sandalen!) Umesh, der Hausverwalter, hat uns begleitet, damit wir nicht allzu sehr über den Tisch gezogen werden.

 
Man setzt sich beim Stoffhändler auf die Polster  (im Schneidersitz natürlich) und  dann breitet der Stoffhändler seine Stoffe aus, bis man nicht mehr weiss, was man eigentlich will!


Die Löhne sind tief. Umesh, der Hausverwalter, verdient etwa 12'000 Rupies, und nur schon das Schulgeld für seine Kinder kostet ihn 6'000. Die öffentlichen Schulen seien so schlecht, dass alle Leute, die das Geld aufbringen können, Privatschulen vorziehen. (Die Lehrer der öffentlichen Schulen beherrschen nicht einmal Englisch richtig, meint er.) Er hat ein Motorrad, auf dem er die ganze Familie transportiert, aber die älteste Tochter wird jetzt 14, da geht das nicht mehr so gut, sie ist zu gross geworden! Auch hier ist es so, dass der Mann einen Helm trägt, die Frau seitwärts hinter ihm sitzt, mit dem Sari als Kopfschutz (!) Ein Kind sitzt vorne auf dem Tank, eines auf den Knien der Frau, und zwischen Mann und Frau klemmt dann das dritte Kind, meist stehend. Die Masseurin beim Ayurveda-Arzt verdient 3000 Rupies, das sind etwa 54 Schweizer Franken, für eine 6-Tage-Woche mit 10-Stundentag.

Vorgestern bin ich zum ersten Mal auf einem Kuhfladen ausgerutscht, aber ein netter Mann hat mich vor dem Sturz in den dreckigen Strassengraben bewahrt. Die Kühe sind überall, und manchmal sind die Gassen so eng, dass sie einen fast an die Hauswand quetschen. Sie sind die vielen Menschen gewöhnt, und manchmal reagieren sie sogar auf die Motorradhupe. Meistens nicht. 

Gestern sind wir gerade zum Melken gekommen – mitten auf der Strasse. Die Leute warten bereits mit den Milchkesseli. Dinananth meint, das sei nicht etwa, weil der Besitzer keinen Stall hätte, sondern weil die Käufer sicher gehen wollen, dass der Bauer kein Wasser in die Milch schüttet. Er kannte einen Bauern, der es dennoch schaffte, unter den Augen der Käufer Wasser in die Milch zu schmuggeln – er trug eine Art Wassergurt und benutzte  seinen Arm als Pumpe. Der Stall befindet sich gleich eneben dem Wohnhaus und hat dieselben Fenster. Ich bemerke den Unterschied nur, weil ich einen Kuhkopf im Fenster sehe.
Das Kalb fragt sich, ob die Milch nachher noch reicht.

Apropos Tiere: Das ist unser Hausgecko, der hinter diesem Plakat für eine Ausstellung im Haus zum Kiel wohnt.